Interview: Taunus Bikepacking – Abenteuerfahrt im Selbstversorger-Modus

Einfach das Bike schnappen, das Nötigste einpacken, mehrere Tage durch die Natur radeln und frei sein. Genau das versteht man unter Bikepacking, ein Thema das in den letzten Jahren eine ganz eigene Community geschaffen hat. Und warum in die Ferne schweifen, wenn es doch auch zu Hause schön ist? Genau das hat sich Jesko, der Erfinder von Taunus Bikepacking gedacht und eine Bikepacking-Veranstaltung rund um den Taunus in Hessen ins Leben gerufen. Auf ca. 800 km und 14.000 hm geht es für ca. 60 Teilnehmer auf Entdeckungstour. Da wir von dieser Idee ziemlich begeistert sind haben wir Jesko ausgefragt und präsentieren euch auf dieser Seite alle Infos über das Bikepacking-Event.

HIBIKE: Hallo Jesko, bitte verrate uns zuerst einmal wer du bist und wie das mit dir und dem Radfahren angefangen hat?

Jesko: Ich lebe und arbeite als Übersetzer in Hofheim am Taunus. Hier bin ich aufgewachsen. Schon als kleiner Junge bin ich mit der Stoppuhr immer um den Block gefahren und habe mir vorgestellt, als Ausreißer vor dem Feld der Tour de France zu flüchten. Später bin ich dann nur noch mit dem Rad zur Schule gefahren, irgendwann verlor sich das Interesse und andere Dinge wurden wichtiger. Mit Ende Zwanzig lebte ich in Frankfurt und stieß zufällig auf einen Bericht über das Transcontinental Race, der mich nicht mehr loslassen sollte. Die unglaublichen Distanzen und Geschichten, die sich dort abspielten, ohne Teamwagen und das ganze Drum und Dran. Das waren ja ganz normale Leute, die da mitfuhren, keine Profis. Ich war auf der Stelle fasziniert. Irgendwann fing ich dann an, mit dem Rad zur Arbeit zu pendeln. 8 Kilometer. Das ging schneller als mit Bus und Bahn und ich hatte auch noch Spaß dabei. So begann ich wieder damit, meine Umgebung auf dem Rad zu entdecken. Man sieht einfach so viel mehr, ich fand es herrlich. Dann ging mein Auto kaputt und ich hab nie wieder ein neues gekauft. Stattdessen wurden die Touren immer länger und ich legte mir mehr Fahrräder zu. Mit Freunden fuhr ich dann 2016 zum Flammkuchenessen von Hofheim nach Strasbourg und zurück, nach 21 Stunden waren wir wieder da. Der Horizont wurde immer weiter und ich fragte mich, was man mit einem Fahrrad noch so alles anstellen kann. Das Fahrrad ist einfach ein wunderbares Mittel, um die Welt zu entdecken. Ich packte Taschen an mein Rad und fuhr in den Urlaub, ohne das Wort Bikepacking jemals gehört zu haben. Mittlerweile habe ich dreimal das TransAtlanticWay Race in Irland gefinisht und stehe dieses Jahr tatsächlich beim Transcontinental Race am Start, womit sich für mich ein Kreis schließt.

Wie und wann kam dir die Idee für Taunus Bikepacking?

Ich liebe Landkarten und hab schon immer gerne Routen gebastelt, um sie dann abzufahren. Taunus Bikepacking ist eigentlich nur meine Hausrunde, ein bisschen erweitert. An ein Event habe ich dabei erstmal gar nicht gedacht. Ich war viele Kilometer durch ganz Deutschland und Europa gefahren, ohne zu merken, was sich im Taunus eigentlich alles an Highlights versteckt, abseits von Feldberg und Co., was man halt so kennt. 2016 bin ich den Schinderhannespfad abgefahren, das war definitiv ein Schlüsselmoment. Die Mischung aus Wegen überzeugte mich nicht, ist ja auch ein Wanderweg und keine Radroute. Aber die Landschaften und Sehenswürdigkeiten waren fantastisch. Die wollte ich auch anderen zeigen. Den finalen Anstoß zu Taunus Bikepacking gab mir dann Jochen, der Veranstalter des Mainfrankengraveller. Ich war bei der Erstaustragung 2017 dabei und angetan von der unkomplizierten Atmosphäre und der Leichtigkeit, mit der sich ein paar Radverrückte versammeln lassen. Dieses besondere Gefühl, mit anderen, vielleicht auch gegen andere, aber niemals allein, einen langen Track zu fahren, kannte ich von Rennen wie dem TransAtlantic Way. Mir wurde klar, dass ich auch ein paar Leute einladen will, um ihnen „meinen“ Taunus zu zeigen.

In diesem Jahr startet gerade mal die zweite Auflage deines Events, in der Bikepacking- und Gravelszene ist TB jedoch schon ein fester Begriff. Was glaubst du, macht das Event so besonders?

Gute Frage, vielleicht das internationale Starterfeld oder die familiäre Atmosphäre. Der Star ist sicher erstmal die Route an sich, da hab ich wirklich sehr viel Arbeit rein gesteckt. Was ja auch nur deshalb möglich war, weil alles direkt vor der Haustür liegt und ich eben sowieso sehr viel Rad fahre. Die Strecke immer weiter zu verbessern macht mir unglaublich viel Spaß und als Nebeneffekt lerne ich die Gegend noch besser kennen. Viele fliegen jeden Frühling nach Mallorca oder sonst wohin, dabei gibt es direkt vor der Haustür noch so viel Spannendes zu entdecken. Bikepacking ist in Deutschland zwar noch relativ neu, aber das Interesse wächst rasant. Viele Leute werden neugierig und denken sich neue Events aus, was ich großartig finde. Verschiedene Regionen, Distanzen, Philosophien… mittlerweile gibt es eigentlich für jeden Geschmack etwas.
Durch die anderen Fahrer auf dem Track und auch durch das GPS-Tracking entsteht eine ganz besondere Dynamik und Atmosphäre. Die Strecke ist hart genug, da ist kein Platz für Ellbogenmentalität. Jeder Starter verdient Respekt und alle wissen das. Das ist etwas, was man erlebt haben muss und erfrischend anders als bei vielen Sportveranstaltungen. Uns geht es eben vor allem ums Abenteuer. Der Weg ist das Ziel. Und auch Selbstversorgerrennen wie TAW oder TCR funktionieren nur, weil es einen Ehrenkodex gibt, den wir ebenfalls befolgen.

Führe uns einmal durch die Strecke für dieses Jahr. Gibt es Neuerungen gegenüber der Strecke aus dem letzten Jahr? Was sind die Highlights?

Die Strecke ist dieses Jahr mit 800 Kilometern ein gutes Stück länger, verwendet aber auch Abschnitte von letztem Jahr. 14.000 Höhenmeter sind eine klare Ansage, es ist durchweg hügelig.
Über die Highlights links und rechts der Strecke könnte ich einen Roman schreiben. Früher dachte ich schon, den Taunus ganz gut zu kennen, doch ich hab in den letzten zwei Jahren so viele sehenswerte Orte gefunden, von denen ich vorher noch nie gehört hatte.
Da sind zum einen die teilweise gut erhaltenen Spuren der Römer am Limes, den man mehrfach überquert. Die Weinorte des Rheingaus und das stille Wispertal. Das Hochplateau über dem Rhein und das idyllische Lahntal, das kennen wahrscheinlich viele. Aber auch versteckte, unbekanntere Täler wie Mühlbach- und Dörsbachtal, eine Vielzahl an Burgen und Schlössern aus den verschiedenen Jahrhunderten, kleine Seen wie Hauserbachsee und Hattsteinweiher. Und vor allem das, was dazwischenliegt: Hunderte Hügel, überraschend steile Anstiege und abgelegene Wege abseits der Hauptverkehrsströme. Auf manchen Abschnitten trifft man stundenlang keine Menschen.

Route 2019 für das Taunus Bikepacking auf Follow My Challenge

Welches Bike empfiehlst du für Taunus Bikepacking?

Ein Gravelbike oder Cyclocrosser ist wahrscheinlich der beste Ansatz. Taunus Bikepacking ist zwar kein echter Graveller, ich nenne das lieber „mixed surface“ – will heißen, es ist eigentlich alles an Untergründen dabei. Asphaltierte Wege, meist Feldwege, wechseln sich ab mit Schotterstraßen und immer wieder kurzen Offroad-Passagen. Wurzelteppiche oder Steingärten gibt es nicht, ein Fully wäre absolut übertrieben. Früher hätte man für so ein Terrain vermutlich zum Trekkingbike gegriffen, heute sind die Unterscheidungen etwas komplizierter. Solange man sich darauf wohl fühlt, ist grundsätzlich jedes Rad geeignet.
Letztes Jahr hatten wir einen Finisher auf 28mm Slicks. Das würde ich aber nicht empfehlen – er selbst im Nachhinein auch nicht! 35-40mm dürfen es schon sein. Wer mehr Komfort möchte oder es nicht ganz so eilig hat, sollte lieber auf ein Montainbike setzen. Ein Hardtail oder sogar eins mit Starrgabel reicht dann aber in jedem Fall aus. Die Anstiege im Taunus sind auf keinen Fall zu unterschätzen, das sollte man bei der Wahl der Übersetzung bedenken. Im Endeffekt ist am Wichtigsten, dass man sich auf dem Rad wohlfühlt, auf allen Untergründen und auch noch nach vielen Stunden im Sattel.

Welches Equipment sollte beim Taunus Bikepacking dabei deiner Meinung nach auf keinen Fall fehlen?

Das ist natürlich sehr individuell, beginnt aber auf jeden Fall bei guten Taschen. Die Fahrer sind selbstversorgt unterwegs, das heißt, dass sie alles am Rad mitführen müssen, was sie unterwegs brauchen. Mittlerweile gibt es ein breites Angebot an bikepacking-spezifischen Taschen, wo jede Menge reinpasst. Wer draußen schlafen will, braucht natürlich etwas mehr als derjenige, der darauf setzt, abends eine Unterkunft zu finden. Zumindest einen Biwaksack, besser noch Schlafsack, sollte aber meiner Meinung nach jeder mitführen, wenn auch nur für den „Notfall“, wenn sich eben nichts findet. Letztes Jahr hatten die Fahrer mit extremer Hitze zu kämpfen, aber auch im Juni kann es nachts noch ziemlich kalt werden. Dafür sollte man gerüstet sein.

Taunus Bikepacking ist nicht nur ein großes Abenteuer sondern auch eine Art Rennen – Auf wen setzt du dein Geld dieses Jahr, wer ist dein Favorit auf den Sieg?

Offiziell ist die Veranstaltung kein Rennen. Ich kann aber gut verstehen, warum viele es so nennen, das hat mit der Dynamik des Massenstarts und nicht zuletzt mit dem GPS-Tracking zu tun. Und es ist für mich auch absolut okay, wenn die Leute sich messen wollen, das macht einfach Spaß. Es gibt aber dabei absolut nichts zu gewinnen.
Die meisten werden ein Zeitlimit haben und sozusagen gegen die Stoppuhr fahren. Wer diesen Kurs auf Zeit fahren will, sollte aber schon sehr fit sein. Es geht praktisch nur auf und ab. Letztes Jahr war James Dennis aus London der Schnellste. Ihm gefiel der Kurs so gut, dass er dieses Jahr wieder dabei ist. An ihm wird kein Weg vorbeiführen. Genauso wenig an Ken Kanuma, der letztes Jahr unglaublich schnell war. Gespannt bin ich auch auf Christian Beyer, der 2018 die Bikepacking TransGermany in Rekordzeit gewann. Bei ihm kann ich mir vorstellen, dass er nichts anbrennen lassen wird. Es sind einige Fahrer mit Rennerfahrung am Start, wie die Briten Gavin Scott und Rob Packham, die ich beim TransAtlanticWay in Irland kennenlernen durfte. Ich bin mir sicher, dass auch unter den mir bisher Unbekannten einige auf Zeit fahren wollen und sicher schnell sein werden. Der größte Gewinn wird für jeden aber die persönliche Erfahrung auf der Strecke sein und da ist das Tempo zunächst einmal nebensächlich. Man darf gespannt sein!

Weitere Infos über Taunus Bikepacking findest du auf der Homepage des Events: taunus-bikepacking.com/

Laurenz Utech
Ein Beitrag von: Laurenz Utech – HIBIKE Marketing

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